Die Existenzgründerin

Unternehmerin

Zumindest auf dem Papier, hat sich die Frau in der Bundesrepublik Deutschland die Gleichberechtigung erstritten. Doch in der Praxis sieht dies oft anders aus. So erhalten Frauen für die selbe Tätigkeit in der Regel weniger Lohn, als männliche Kollegen. In vielen Führungspositionen und auch bei den Existenzgründungen, sind Frauen immer noch unterrepräsentiert.

 Kein Grund, um klein bei zu geben  

Für viele Menschen ist heute der Weg in die berufliche Selbständigkeit eine ganz wesentliche Entscheidung, die ihr Leben nicht selten nachhaltig verändert. Die Motive, diesen Schritt zu wagen, sind dabei jedoch höchst unterschiedlich. Einerseits steht möglicherweise eine innovative Geschäftsidee am Beginn einer Selbständigkeit; der Wunsch, es besser zu machen als vielleicht der langjährige Chef; eine Unternehmensnachfolge oder vor allem in den neuen Bundesländern, die Tatsache, dass die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nicht selten die einzig sinnvolle Alternative zur Ausweglosigkeit einer lang andauernden Beschäftigungslosigkeit darstellt. In den Veranstaltungen für Existenzgründer finden sich daher auch immer mehr Gründerinnen. Waren es in der Vergangenheit meist etablierte Frauenberufe, wie beispielsweise Friseuse, Kosmetikerin, Tagesmutti oder Hebamme, in denen Frauen den Schritt in die Selbständigkeit wagten, so sind Frauen heute auch in vielen klassischen Männerdomänen als Gründerinnen vertreten. Darunter auch in zahlreichen Berufen, die mit einer Schreibtischtätigkeit kaum zu tun haben, wie beispielsweise Dachdeckerin oder Fuhrunternehmerin. Wenn Frau also vor der Wahl steht, sich selbständig zu machen oder nicht, so sollte dies keinesfalls Anlass sein, um klein bei zu geben und um etwa dem Irrglauben zu verfallen, wonach eine Selbständigkeit nur etwas für Männer sei.

 Langfristig nicht selten erfolgreicher, als Männer  

Glaubt man den einschlägigen Statistiken derjenigen Institutionen, die sich auf die Beratung von Gründungsvorhaben spezialisiert haben, so wagen Frauen generell seltener den Schritt in eine berufliche Selbständigkeit. Sie brauchen, im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen, viel länger, um Pro und Contra einer solchen Entscheidung abzuwägen. Doch, wenn sie sich dann einmal zu einer Unternehmensgründung oder Übernahme entschlossen haben, so sind sie meist, vor allem langfristig gesehen, deutlich erfolgreicher, als männliche Unternehmer. Dafür mag es viele Ursachen geben, beispielsweise die Tatsache, dass Frauen gründlicher abwägen, sich durchbeißen und den Kopf nicht so schnell in den Sand stecken. Frauen sind meist auch kommunikativer und können schneller belastbare Netzwerke aufbauen, auf die es in einer Selbständigkeit, beispielsweise dann, wenn es um die Akquise neuer Aufträge geht, ganz entscheidend ankommt.

 Tendenz steigend  

Waren in der Vergangenheit Frauen bei Unternehmensgründungen deutlich in der Minderheit, was laut Statistik des Global Entrepreneurship Monitors von 2011 in der Bundesrepublik aktuell immer noch der Fall ist, so ist jedoch inzwischen ein zaghafter Trend erkennbar, wonach Frauen sich anscheinend immer häufiger trauen, ein Gewerbe oder eine freiberufliche Tätigkeit anzumelden. Immer noch wird, laut Angaben der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zwar nur jedes dritte Unternehmen in der Bundesrepublik von einer Frau gegründet, jedoch erreichte die Zahl von Unternehmensgründungen durch Frauen kürzlich ihren Höchststand.

 Bei innovationsgetriebenen Startups Nachholbedarf  

Besonders groß ist der Nachholbedarf der Frauen jedoch noch bei der sogenannten innovationsgetriebenen Startups. Dies sind technologielastige, nicht selten IT-dominierte Unternehmungen, die die Tendenz aufweisen, besonders schnell zu wachsen. Der Bundesverband Deutscher Startups (BDS) weist in seiner Statistik diesbezüglich bisher lediglich einen Frauenanteil von 13 % unter diesen Gründern auf.

 In den Lobbys noch deutlich unterrepräsentiert  

Dass Frauen es bislang noch zu wenig wagten, den Schritt in die Selbständigkeit zu vollziehen, dürfte nach Auffassung des BDS auch daran liegen, dass in vielen entscheidenden Gremien bisher lediglich Männer vertreten sind. So beispielsweise in vielen Bankvorständen, die über die Ausreichung der als riskant angesehenen Kredite und Darlehen für Existenzgründungen zu befinden haben. Einem männlichen Existenzgründer wird, so die irrige Auffassung vieler dieser Gremien, wohl eher die Belastung eines 18-Stunden-Tages, der Kampf mit Mitbewerbern und die notwendige Durchsetzungsfähigkeit im Disput mit Lieferanten zugetraut, als der Frau. Tatsächlich aber verfügen gerade viele Frauen über die hier geforderten Eigenschaften, wie zahlreiche Coaches und Headhunter anhand ihrer Persönlichkeitstests belegen könnten, die sie in den Führungsetagen diverser Unternehmen bisher durchführten. Mehr noch: Frauen haben ihren männlichen Kollegen meist zusätzlich ganz besonders eines voraus, Fingerspitzengefühl und Diplomatie, während die meisten Männer hingegen die Holzhammer-Methode präferieren und ihr Gegenüber damit oft vor den Kopf stoßen. Jedoch setzte die Jury für die Vergabe des populären Gründerpreises der WirtschaftsWoche erst kürzlich ein deutliches Zeichen. Die begehrte Trophäe ging nämlich an die Co-Gründerin einer kleinen Möbelmanufaktur, obwohl bereits in der Vorauswahl kaum Frauen zu finden waren.

 Männer haben es zwar leichter, sind aber nicht erfolgreicher  

Eine im Auftrage der renommierten Bank UniCredit durchgeführte Umfrage ergab, dass lediglich etwa 20 % der befragten Entscheider den Frauen hinsichtlich einer Unternehmensgründung und bei der Unternehmensführung dieselben Chancen einräumten, wie den Männern. Dies mag am Dominanz- und Platzhirsch-Gehabe der Männer liegen, die damit überzeugen und Widerstände offensiv brechen, während sich Frauen stattdessen um Verständnis und Konsens bemühen. Dennoch stellt diese Zahl keineswegs ein Indiz dafür dar, dass Männer die besseren Unternehmensgründer und Chefs sind. Immer noch wird jedoch die Unternehmensgründung und Unternehmensführung als eine traditionell männliche Domäne angesehen, in der es, ähnlich wie im Offiziersberuf, auf Kampfes- und Siegeswille als elementare Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Erfolg ankommt. Wie viele Lebensbereiche, so hat auch die Wirtschaft in den letzten 75 Jahren eine entscheidende Wandlung durchgemacht, die dazu geführt hat, dass es heute eher auf emotionale Intelligenz und Kompromissfähigkeit ankommt, als auf viriles Gebaren. Und dafür, für emotionale Intelligenz und Kompromissfähigkeit, haben viele Frauen die eindeutig besseren Voraussetzungen.

 Vorbilder und Leitfiguren gesucht  

Während die Wirtschaft vom Nimbus von Gründeridolen wie Bill Gates oder Mark Zuckerberg profitierte, fehlen Frauen als Vorbilder und Identifikationsfiguren leider oftmals gänzlich. Dabei bringen gerade Frauen gegenüber Männern eine weitere entscheidende Voraussetzung für den Unternehmenserfolg mit. Sie sind nämlich, im Gegensatz zu den meisten Männern, nicht dazu bereit, ihrem Geschäft Vorrang vor ihrem Privatleben einzuräumen. Dies macht viele Gründerinnen sensibler dafür, auch ihren Mitarbeitern eine tragfähige Balance zwischen Arbeit und Beruf einzuräumen und damit von oft deutlich niedrigeren Krankheits- und Fluktuationsquoten zu profitieren. Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat scheinbar die Situation vieler Gründerinnen erkannt. Nicht aus Selbstzweck hat es kürzlich ein Förderprogramm aufgelegt. Dieses trägt den Titel „Frauen an die Spitze“.

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