Betriebsausgabenabzug für Zahlungen an inaktive ausländische Domizilgesellschaften trotz fehlender Empfängerbenennung
Der 9. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat in seinem Urteil vom 5. Februar 2020 (Az. 9 K 95/13) – soweit ersichtlich als erstes Finanzgericht – darüber entschieden, ob die Vorschrift des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG auch auf inaktive ausländische Domizilgesellschaften Anwendung findet.
Das Urteil erging im zweiten Rechtsgang, nachdem der BFH das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts im ersten Rechtsgang allein aus formellen Gründen aufgehoben hatte (BFH, Urteil vom 7. Juni 2018, IV R 11/16, BFH/NV 2018, 1156).
§ 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG gewährt Empfängern von Bauleistungen auch bei fehlender Benennung der Zahlungsempfänger den vollen Betriebsausgabenabzug, wenn der Bauleistungsempfänger seiner Verpflichtung aus § 48 Abs. 1 EStG nachkommt, von der Gegenleistung einen Steuerabzug in Höhe von 15 v. H. für Rechnung des Leistenden vornimmt (sog. Bauabzugssteuer), diesen Steuerabzugsbetrag anmeldet und an das zuständige Finanzamt abführt.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin, eine inländische Entwicklungs- und Bauträgergesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft (KG), nahm im Streitjahr 2002 umfangreiche Bauleistungen britischer Subunternehmer im Zusammenhang mit der Realisierung diverser Großprojekte in Anspruch.
Nach den Feststellungen der Informationszentrale Ausland des Bundesamtes für Steuern handelte es sich bei den britischen Firmen um wirtschaftlich inaktive Domizilgesellschaften. Die KG nahm von den Gegenleistungen den Steuerabzug von 15 v. H. für Rechnung der Subunternehmer vor, meldete diese Bauabzugssteuer beim zuständigen Finanzamt an und führte die Steuer ab.
Da die KG die tatsächlichen Zahlungsempfänger nicht benennen konnte, kürzte das Finanzamt jedoch auf Grundlage des § 160 AO die Betriebsausgaben um 70 v. H. der Gesamtgegenleistung. § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG, der nach seinem Wortlaut die Anwendung des § 160 AO ausschließt, sei auf inaktive ausländische Domizilgesellschaften nicht anzuwenden.
Dem ist der 9. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts nun entgegengetreten und hat der Klage auch im zweiten Rechtsgang stattgegeben. Der Ausschlusstatbestand des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG gilt danach auch dann, wenn Bauleistender eine inaktive ausländische Domizilgesellschaft ist.
Eine einschränkende Auslegung gegen den klaren Wortlaut – zumal zum Nachteil des Steuerpflichtigen – kommt nach Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts nicht in Betracht, da die teilweise in der steuerrechtlichen Literatur vorgebrachten Bedenken sich weder in den Gesetzesmaterialien widerspiegeln, noch Eingang in den Gesetzestext gefunden haben. Insbesondere fehle ein gesetzlich verankerter Aktivitätsvorbehalt.
Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht sei weder eine andere (verfassungskonforme) Auslegung geboten noch bestünden Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG im Hinblick auf einen verfassungswidrigen Begünstigungsausschluss Dritter, die nicht Bauleistungen empfangen.
Eine Anwendung der Ausschlussregelung auf inaktive Domizilgesellschaften ist danach nur dann unter dem Gesichtspunkt des Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO) bedenklich, wenn der Bauleistungsempfänger § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG „instrumentalisiert“ und sich den Abzug entgegen § 160 AO im Zusammenwirken mit einer formal als Subunternehmer eingeschalteten Domizilgesellschaft in rechtsmissbräuchlicher Weise erschlichen hat. Anhaltspunkte hierfür waren im Streitfall aber nicht gegeben.
Die von dem Senat zugelassene Revision wurde eingelegt.
Das Verfahren wird bei dem Bundesfinanzhof unter dem Az. IV R 4/20 geführt.