Änderung einer Kirchensteuerfestsetzung

Pressetext:

  1. Eine Kirchensteuerfestsetzung, die darauf beruht, dass in der von einem Steuerberater erstellten und elektronisch eingereichten Einkommensteuererklärung mitgeteilt wird, der Steuerpflichtige gehöre einer kirchensteuererhebenden Religionsgemeinschaft an, obwohl der Steuerpflichtige bereits vor dem Veranlagungszeitraum aus der Kirche ausgetreten war und dieser Umstand ordnungsgemäß i. S. des § 39e Abs. 2 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) gemeldet worden ist, kann weder nach § 175b Abs. 1 oder Abs. 2 Abgabenordnung (AO) noch nach §§ 129, 173 AO geändert werden.
  2. Die Änderungsvorschrift des § 175b AO ist im Zusammenhang mit der Datenübertragung nach § 39e Abs. 2 Satz 2 EStG nicht anwendbar.
  3. Ein Übernahmefehler des Finanzamts i. S. des § 129 AO liegt nicht vor, wenn der Fehler des Steuerpflichtigen beim Erlass des Steuerbescheids objektiv nicht erkennbar gewesen ist. Das Finanzamt macht sich dann den Fehler des Steuerpflichtigen nicht zu Eigen.

Sachverhalt

Der Kläger erzielte im Streitjahr 2017 gewerbliche Beteiligungseinkünfte. Bereits am 22.12.2014 war er aufgrund Erklärung gegenüber dem Standesamt der Gemeinde A aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Die Meldebehörde teilte dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) den Austritt am 23. Dezember 2014 mit Wirkung zum 1. Januar 2015 mit. Dennoch gab der Kläger – wie auch in den Vorjahren – in der von seinem Steuerberater erstellten und elektronisch eingereichten Einkommensteuererklärung 2017 an, Mitglied der evangelischen Kirche zu sein.

Das beklagte Finanzamt (FA) setzte mit Bescheid vom 1. August 2019 gegenüber dem Kläger evangelische Kirchensteuer für das Jahr 2017 in Höhe von 9.790,64 Euro fest. Der an den Steuerberater des Klägers bekannt gegebene Bescheid wurde bestandskräftig. Den Antrag des Klägers vom 16. April 2020, die Kirchensteuerfestsetzung gemäß § 175b AO aufzuheben, lehnte das FA ab und wies den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Änderungsvorschrift des § 175b AO greife nicht ein, da es sich bei der Kirchenmitgliedschaft nicht um meldepflichtige Daten i. S. des § 93c AO handele. Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos.

Aus den Gründen

Das Finanzgericht entschied, dass die bestandskräftige Kirchensteuerfestsetzung nicht aufgehoben werden könne. Es gebe keine Änderungs- oder Berichtigungsnorm.

Keine Änderung nach § 175b Abs. 1 AO

Nach § 175b Abs. 1 AO sei ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörden übermittelte Daten im Sinne des § 93c AO bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt worden seien.

Voraussetzung für die Anwendung der Korrekturvorschrift sei, dass übermittelte Daten „bei der Steuerfestsetzung“ nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Daraus sei zu schließen, dass es sich um für die Steuerfestsetzung übermittelte Daten handeln müsse. Hierfür spreche auch der Zweck des § 93c AO. Die Vorschrift sei ein wesentlicher Baustein des Projekts des automationsgestützten Erlasses von Steuerbescheiden. Die von Dritten mitgeteilten Daten dienten nach der Gesetzesbegründung zu § 175b AO der Unterstützung der Finanzbehörden bei der Ermittlung der festzusetzenden Steuer.

§ 175b AO ist im Zusammenhang mit der Datenübertragung nach § 39e Abs. 2 Satz 2 EStG nicht anwendbar

Dagegen regele § 39e EStG das technische Verfahren, das Lohnsteuer-Abzugsmerkmale (§ 39 EStG) automatisiert bilde und aus ihnen elektronische Lohnsteuer-Abzugsmerkmale (ELStAM) mache. Die Zuständigkeit für die Speicherung der Lohnsteuer-Abzugsmerkmale liege beim BZSt. Die Meldebehörden hätten dem BZSt die in § 39e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 EStG genannten Daten und ihre Änderung mitzuteilen. Das BZSt müsse die Lohnsteuer-Abzugsmerkmale zum unentgeltlichen automatisierten Abruf durch den Arbeitgeber bereitstellen. Hier gehe es demnach nicht um Datenmeldepflichten im Zusammenhang mit einer Steuerfestsetzung, sondern bezüglich des Lohnsteuerabzugs.

Zwar ermögliche § 39e Abs. 10 EStG die Datenabfrage durch die Finanzämter beim BZSt für die Einkommensbesteuerung. Diese stehe jedoch gerade nicht im Zusammenhang mit dem Zweck des § 93c AO, den automationsgestützten Erlass von Steuerbescheiden zu unterstützen und ändere auch nichts daran, dass der vornehmliche Bezug der Datenübertragung zum Lohnsteuerabzugsverfahren bestehe. Bei der in § 39e Abs. 2 Satz 2 EStG geregelten Verpflichtung zur Datenübertragung sei § 93c AO nicht in Bezug genommen. Es würden vielmehr eigenständige Regelungen für die Datenübertragung getroffen. Aus der fehlenden Bezugnahme auf die Regelungen in § 93c AO sei nach Auffassung des Senats zu schließen, dass die Änderungsvorschrift des § 175b AO im Zusammenhang mit der Datenübertragung nach § 39e Abs. 2 Satz 2 EStG nicht anwendbar sei.

Keine Änderung nach § 175b Abs. 2 AO

Die Korrekturvorschrift des § 175b Abs. 2 AO greife ebenfalls nicht ein. Die Vorschrift solle sicherstellen, dass der Steuerpflichtige keine Rechtsnachteile erleide, wenn er darauf vertraue, dass die von dritter Seite nach § 93c AO an die Finanzverwaltung übermittelten Daten vollständig und zutreffend sein, und daher auf eigene Angaben in der Steuererklärung verzichte. Nach § 150 Abs. 7 Satz 2 AO würden Daten, die von mitteilungspflichtigen Stellen nach Maßgabe des § 93c AO an die Finanzverwaltung übermittelt wurden, dann als Angaben des Steuerpflichtigen gelten, soweit er nicht in einem dafür vorzusehenden Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung abweichende Angaben mache.

Neben den Gründen für die Nichtanwendbarkeit des § 175b AO komme bei § 175b Abs. 2 AO hinzu, dass der Kläger in seiner von einem Steuerberater erstellten Einkommensteuererklärung 2017 mitgeteilt habe, er gehöre einer kirchensteuererhebenden Religionsgemeinschaft an. Damit habe er von der Mitteilung der Meldebehörde abweichende Angaben gemacht. Des Weiteren wäre die Mitteilung der Meldebehörde über den Kirchenaustritt auch nicht zu Ungunsten des Klägers unrichtig gewesen.

Keine Berichtigung nach § 129 AO

Eine Berichtigung nach § 129 AO wegen offenbarer Unrichtigkeit scheide aus. Der Fehler sei nicht offenbar i. S. von § 129 AO. Der Fehler des Finanzamts könne zwar auch darin bestehen, dass es einen mechanischen Fehler, der dem Steuerpflichtigen bei der Erfüllung seiner Erklärungspflichten unterlaufen sei, übernehme und sich so zu Eigen mache (sog. Übernahmefehler). Allerdings müsse der Fehler des Steuerpflichtigen dem Finanzamt als eigener zurechenbar sein. Das bloße Übernehmen der fehlerhaften Angaben genüge nicht. Sei der Fehler des Steuerpflichtigen für das Finanzamt beim Erlass des Steuerbescheids objektiv nicht erkennbar, mache es nichts falsch, wenn es den Steuerbescheid erklärungsgemäß erlasse, soweit es auf die Richtigkeit der Angaben vertrauen dürfe. Es mache sich den Fehler des Steuerpflichtigen nicht zu Eigen, weil es ihn nicht erkennen könne. Entsprechendes gelte bei vollständig automationsgestützter Bearbeitung (§ 155 Abs. 4 AO).

Es bestünden bereits erhebliche Zweifel, ob die Falscheingabe des Steuerberaters auf einem bloß mechanischen Fehler beruht habe. Wenn der Steuerberater keine Kenntnis vom Kirchenaustritt gehabt haben sollte, könne die Falscheingabe nicht auf einem rein mechanischen Versehen beruhen. Vielmehr sei die Eingabe dann bewusst unter Anlehnung an die Vorjahresverhältnisse erfolgt. Jedenfalls sei der Fehler des Steuerberaters für das FA nicht erkennbar gewesen.

Keine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO

Des Weiteren scheide eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO aus. Im vorliegenden Streitfall sei der Kirchenaustritt des Klägers dem FA zwar nach Ergehen des streitigen Einkommensteuerbescheides bekannt geworden. Den Kläger treffe aber ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden des Kirchenaustritts. Er habe es nach Aktenlage grob fahrlässig unterlassen, die Steuererklärung vor Einreichung beim FA auf deren Richtigkeit im Hinblick auf die Eintragung zur Religionszugehörigkeit zu überprüfen. Den Kläger treffe hinsichtlich der in der Steuererklärung zu beantwortenden Fragen über seine persönlichen Verhältnisse und damit auch hinsichtlich der Kirchenzugehörigkeit eine erhöhte Nachprüfungspflicht. Die im Erklärungsvordruck gestellte Frage zur Religion sei zudem klar und unmissverständlich.

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