Freibeträge für beschränkt und unbeschränkt Erbschaftsteuerpflichtige

 

Unterschiedliche Freibeträge für beschränkt und unbeschränkt Erbschaftssteuerpflichtige verstoßen gegen die Kapitalverkehrsfreiheit – EuGH C-181/12 v. 17. 10. 2013 – Yvon Welte

Sachverhalt Die gebürtige Deutsche Frau Welte-Schenkel erwarb nach ihrer Heirat mit dem Schweizer Herrn Welte die Staatsangehörigkeit der Schweiz. Sie wohnte mit ihrem Ehemann in der Schweiz. Als sie starb, war ihr Mann ihr einziger Erbe. Zum Nachlass gehörte u.a. ein in Düsseldorf belegenes, mit dem Elternhaus der Erblasserin bebautes Grundstück, welches diese von ihrer Mutter geerbt hatte. Das zuständige deutsche Finanzamt setzte die Erbschaftssteuer unter Berücksichtigung des Freibetrags für beschränkt Steuerpflichtige fest. Dieser Freibetrag ist wesentlich niedriger als der für unbeschränkt Steuerpflichtige anwendbare Freibetrag. In dem sich anschließenden finanzgerichtlichen Verfahren stellte sich die Frage, ob die Kapitalverkehrsfreiheit einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach der erbschaftsteuerliche Freibetrag niedriger ist, wenn Erblasser und Erwerber zum Zeitpunkt des Erbfalls ihren Wohnsitz in einem Drittland hatten, als der Freibetrag, der zur Anwendung gekommen wäre, wenn zumindest eine dieser beiden Personen ihren Wohnsitz im Inland gehabt hätte.

Wesentliche Aussagen des Urteils Art. 56 Abs. 1 EGV [Art. 63 Abs. 1 AEUV] verbietet allgemein Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern. In ständiger Rechtsprechung ist davon auch der Kapitaltransfer im Wege der Erbfolge umfasst. Niedrigere Freibeträge in Situationen, in denen nicht entweder Erblasser oder Erbe gebietsansässig sind, als in Situationen, in denen mindestens ein Beteiligter gebietsansässig ist, führen zu einer höheren Besteuerung und bewirken daher eine Wertminderung des betreffenden Nachlasses. Eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs liegt damit vor. Auch umfasst Art. 57 EGV [Art. 64 AEUV], der zulässige Beschränkungen im Kapitalverkehr mit Drittländern regelt, Erbschaften nicht. Zugleich liegt keine zulässige Beschränkung im Zusammenhang mit „Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien“ vor. Denn darunter fallen, wie sich auch aus Anhang I der Richtlinie 88/361 ergibt, nicht Vermögensanlagen, die zu privaten Zwecken getätigt wurden und nicht mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit verbunden sind. Diese Sichtweise entspricht im Übrigen auch der gebotenen engen Auslegung von Art. 57 EGV [Art. 64 AEUV] als Ausnahmevorschrift. Damit stellte sich für den Gerichtshof die Frage, ob die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit gerechtfertigt werden kann. Nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EGV [Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV] wird „das Recht der Mitgliedstaaten, […] die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln“, durch die Kapitalverkehrsfreiheit nicht berührt. Gleichzeitig dürfen die nationalen Vorschriften aber nach Art. 58 Abs. 3 EGV [Art. 65 Abs. 3 AEUV] „weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs […] darstellen“. Dementsprechend ist zwischen einer zulässigen unterschiedlichen Behandlung und einer unzulässigen willkürlichen Diskriminierung zu unterscheiden. Eine zulässige unterschiedliche Behandlung liegt nur vor, wenn es um Situationen geht, die objektiv nicht miteinander vergleichbar sind, oder die Ungleichbehandlung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Im Übrigen muss die nationale Regelung auch verhältnismäßig sein. Aus Sicht der deutschen und belgischen Regierung ist der Erwerb im Wege des Erbfalls durch Gebietsfremde objektiv nicht mit dem Erwerb durch Gebietsansässige zu vergleichen. Denn während Erstere nur mit dem im Inland belegenen Vermögen beschränkt steuerpflichtig sind, sind Letztere mit dem Weltvermögen beschränkt steuerpflichtig. Diese Sichtweise stehe auch im Einklang mit der Schumacker-Rechtsprechung des EuGH, wonach primär der Wohnsitzstaat dazu berufen ist, die Gesamtsteuerkraft zu beurteilen und unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse Freibeträge zu gewähren. Der Gerichtshof folgt dem nicht. Die Höhe der Erbschaftsteuer hängt nach deutschem Erbschaftsteuerrecht nämlich nur vom Wert des Nachlasses und dem persönlichen Verhältnis zwischen Erblasser und Erben ab. Weder das eine noch das andere ist vom Ort des Wohnsitzes dieser Personen abhängig. Wenn eine nationale Regelung im Inland belegenes Vermögen hinsichtlich der Erbschaftssteuerpflicht gleichbehandelt, unabhängig davon ob Erblasser und Erbe beide gebietsansässig, beide gebietsfremd oder einer von beiden gebietsansässig und der andere gebietsfremd sind, dann müssen auch die anwendbaren Freibeträge gleich ausgestaltet sein. Zur Rechtfertigung liegt auch kein zwingender Grund des Allgemeininteresses vor, insbesondere fehlt es an der für die Annahme einer steuerlichen Kohärenz notwendigen Unmittelbarkeit von Vor- und Nachteil.

Folgerungen aus dem Urteil Die steht einer nationalen Regelung über die Berechnung von Erbschaftsteuern entgegen, die für den Fall des Erwerbs eines im Gebiet dieses Staates belegenen Grundstücks durch Erbanfall vorsieht, dass der Freibetrag auf die Steuerbemessungsgrundlage dann, wenn der Erblasser und der Erwerber zum Zeitpunkt des Erbfalls ihren Wohnsitz in einem Drittland hatten, niedriger ist als der Freibetrag, der zur Anwendung gekommen wäre, wenn zumindest eine dieser beiden Personen zu diesem Zeitpunkt ihren Wohnsitz in dem genannten Mitgliedstaat gehabt hätte.

 

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Quelle: Verein für Internationale Steuern und Finanzen, München Anmerkung vom 17.10.2013

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